Anthologie
Herausgeber: Creativo – Initiativgruppe für Literatur, Wissenschaft und Kunst

Taschenbuch
Erscheinungsjahr: 2019
228 Seiten
Preis: 9,80 €
ISBN: 978-3-945346-75-4

Verlag: Fabuloso Verlag, Bilshausen

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Freiheit – für uns ein fast alltägliches Wort. Für andere Menschen ein gewaltiges Wort, ein unerreichbarer Zustand. Wir leben heute in einem freien Land. Aber das ist keine Selbstverständlichkeit. Vor 30 Jahren fiel die innerdeutsche Grenze und die Mauer in Berlin. Tausende Menschen strömten von Ost nach West und umgekehrt.

Viele suchten die Freiheit. Haben sie sie gefunden?

In besonderem Maße waren Berlin als geteilte Stadt und das Eichsfeld als geteilte Landschaft von der Teilung betroffen. Ist nach all den Jahren der Einheit die Freiheit noch das, was die Menschen heute suchen?
Die Autorinnen und Autoren der Creativo erzählen in diesem Buch in vielfältiger Weise wie sie Freiheit erlebt haben und noch erleben. Die Geschichten handeln von Menschen, die nicht frei sind, erzählen von Träumen, die vom Wunsch nach Freiheit geprägt sind. Oder beleuchten in humorvoller Weise die kleinen Unfreiheiten des Alltags.

Nehmen Sie sich die Freiheit einer Pause, lehnen sich zurück und lassen sich entführen in die Freiheit der Gedanken.

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Susi
von Melanie Buhl

Heute waren wir wieder gemeinsam unterwegs. Keine lange Strecke, aber in der Stadt, wo ich etwas zu erledigen hatte, kannte ich mich nicht so gut aus und hatte darum um Susis Hilfe gebeten. Widerwillig – aber es schien mir das kleinere Übel zu sein.

Susi fuhr gelangweilt aber bereitwillig mit. Einerseits war ich froh, nicht völlig allein unterwegs zu sein, andererseits ging mir meine gelegentliche Mitfahrerin mächtig auf die Nerven. Ständig kommandierte sie herum, fahr links, fahr rechts. Es war manchmal kaum auszuhalten!

Besonders nervig war es, wenn Susi meinte, einen besseren Weg als ich zu kennen, obwohl ich in der Gegend aufgewachsen war und mich bestens auskannte. Manchmal nahm ich eben lieber einen Umweg in Kauf, als durch ein Waldstück zu fahren, das mir zu düster erschien oder im Winter womöglich nicht ordentlich geräumt oder gestreut war. Susi hatte für solche Sentimentalitäten kein Verständnis. Sie kannte sich hervorragend aus, das gestand ich ihr zu, aber diese ständige Besserwisserei trieb mich in den Wahnsinn. Wie oft hatte ich den Impuls unterdrückt, einfach anzuhalten und sie an die frische Luft zu setzen? Nein, das tat ich natürlich nicht. Manchmal war sie ja doch hilfreich und hatte gute Tipps.

Und dann Susis strikte Weigerung, nach all den Jahren zu einem vertrauten Du zu kommen. Ihre ganze unterkühlte Art nervte. Gute Freunde würden wir sicher nie werden. Es war eher eine Zweckgemeinschaft. Die heutige Fahrt lief anfangs noch gut, Susi war freundlich und gab sinnvolle Hinweise.

Dann kam die erste Kreuzung, an der ich mich anders entschied, als es Susi für richtig gehalten hätte. Nachdrücklich verlangte Susi zu wenden. Als ich mich weigerte, bestand sie bockig darauf, spätestens an der nächsten Kreuzung wieder ihrem Rat zu folgen. Als ich, dort angekommen, ein zweites Mal meinen Kopf durchsetzte, verharrte Susi in beleidigtem Schweigen. Ebenso bei meinem drittem Auflehnen gegen Susis Rat. Danach folgte ich brav den Anweisungen meiner Mitfahrerin und es schien Frieden eingekehrt zu sein.

Bis wir die fremde Stadt fast erreicht hatten.

Ich wusste, dass wir an der Tankstelle abbiegen mussten. Susi meinte wieder, einen besseren Weg zu kennen, und protestierte lautstark. Als wir dann kurz vor meiner bevorzugten Abfahrt waren, hatte Susi wohl die Schnauze voll. Vielleicht dachte sie sich: Was soll ich hier, wenn Tabea sowieso nicht auf mich hört?…