Leider konnte ich in diesem Jahr nicht zur Leipziger Buchmesse fahren. Umso wichtiger war es mir, in den Medien und Sozialen Netzwerken zu verfolgen, was sich so tat.
Es gab interessante Videos von Preisverleihungen und Lesungen zu bestaunen, jede Menge tolle Bilder und Berichte. Sie waren zwar nur ein schwacher Trost für einen begeisterten Messebesucher wie mich, aber besser als nichts!

Und dann – nach der Messe, gab es plötzlich andere Töne. Es ging ein empörter Aufschrei durch die Cosplayer-Gemeinde! Der SWR-Literaturredakteur Carsten Otte wetterte in seinem Nachlese-Artikel darüber, dass die Cosplayer nicht zu der „neuen Ernsthaftigkeit im Literaturbetrieb“ passten und damit in Zukunft von der Messe ausgeschlossen werden sollten!
In seinem Artikel bezeichnet Herr Otte die Manga-Convention, die seit Jahren zeitgleich mit der LBM stattfindet, als „Klamauk und kulturindustriellen Hokuspokus“.

Nun kann man sich über Geschmack ja bekanntlich streiten, aber ist das reine Geschmackssache? Ich denke nicht!
Cosplayer sind Menschen die ihre Liebe zu fantastischen Geschichten dadurch ausdrücken, dass sie sich aufwendige Kostüme schneidern, faszinierende Masken basteln und mit weiteren Utensilien bestückt in die Rollen ihrer liebsten Protagonisten und Antagonisten schlüpfen. Ich meine, das ist gelebtes Fan-Sein und eine besondere Form von Kunst!

Mangas und Animes als Klamauk zu bezeichnen zeugt von Intoleranz einer anderen Kultur gegenüber. Es sind japanische Comics, bzw. Animationsfilme, die man mag oder auch nicht. In Japan gehören sie zum Kulturgut und haben sich in den letzten Jahren zum kulturellen Exportgut entwickelt. Sie haben bestimmte Stilelemente und Erzählformen und sind weit entfernt von Klamauk!

Aber es sind nicht nur Mangafiguren die von den Cosplayern dargestellt werden. Ich bin auch schon Gandalf dem Grauen aus dem „Herrn der Ringe“ auf der Messe begegnet. Dieses Werk von J.R.R. Tolkien ist zwar keine „ernsthafte Literatur“ aber dennoch ein anerkannter Klassiker. Star Trek Fans (Trekkies) sind seltener, aber auch sie habe ich schon angetroffen, genauso wie einige Aliens oder Rotkäppchen. Die Liste ist lang und bunt!

Nun stößt sich Herr Otte besonders an den „nackten Hasen“.
Ganz ehrlich? Ich finde die Verkleidungen faszinierend, manches sehr gewagt, aber nackt war noch niemand den ich gesehen habe. Im Sommer in der Fußgängerzone sieht man mindestens genau so viel Haut wie auf einer Manga-Convention. Leider nicht immer so hübsch verpackt, wie bei einem Cosplayer. Da scheint Herr Otte eine recht verklemmte Ansicht zu haben.

Herr Otte hat zudem vergessen, dass Mangas und andere Comics auch Bücher sind! Zwangsläufig müssen Cosplayer auch Leser sein!
Er scheint in einer hochtrabenden Weise zu glauben, es gäbe richtige und falsche Literatur!

Bessere und schlechtere mag es geben, aber was gefällt liegt doch im Auge des Betrachters.
Ich habe schon Bücher gelesen, die eine tolle Geschichte erzählten, aber voller Rechtschreibfehler waren. Und es gibt unzählige Bücher, die annähernd (100% fehlerfrei gibt es nicht) korrekt geschrieben und professionell hergestellt wurden und mich trotzdem kalt ließen. Im Zweifel würde ich mich immer für die bessere Geschichte entscheiden.
Für mich ist ein Buch ein gutes Buch, wenn es mich fesselt, wenn ich darin in fremde Welten entführt werde. Am besten ist, wenn ich noch etwas Tiefgründigkeit und Weisheit darin finde.
Andere lieben Anderes. Gut so!

Ich finde das Leben und die momentane politische Lage sind schon ernst genug. Da mag ich, zumindest zur Entspannung und Unterhaltung, nicht auch noch etwas Ernsthaftes lesen.
Wenn ich mich über spezielle Dinge informieren will, lese ich zwar auch die entsprechenden (Sach-)Bücher, aber richtige und falsche Literatur gibt es für mich nicht.

Leben und leben lassen, das ist wahre Toleranz! Wenn es nur noch ernsthafte Literatur gäbe, und wenn die Cosplayer von der LBM verbannt würden, was wäre das für eine traurige und einseitige Bücherwelt!

Der Artikel von Carsten Otte kann hier nachgelesen werden.

Es gibt im Netz noch viele Antworten auf Herrn Ottes Bericht, hier eine kleine Auswahl:

Die Arroganz der grauhaarigen alten Männer – von Lena Falkenhagen

Auch nackte Hasen sind politisch – von Margarete Stokowski

Nachtrag:

Die Veranstalter der Leipziger Buchmesse haben inzwischen auch ein Statement dazu abgegeben.

Hier könnt ihr es nachlesen!

Dem kann ich nur beipflichten. Und es bleibt zu hoffen, dass sich an dieser Meinung der Veranstalter nichts ändert!