Aus dem Göttinger Tageblatt vom 19.März 2014
„Göttingen
Es ist nicht besonders charmant, was Moderator Tobias Gohlis gleich zu Beginn des Abends mit der Krimiautorin Andrea Maria Schenkel im sehr gut besetzten Literarischen Zentrum sagt. Der Begründer und Sprecher der Krimi-Bestenliste in der Wochenzeitung „Die Zeit“, der lange Jahre in Göttingen gelebt hat, bringt das böse Wort von der „schreibenden Hausfrau“ ins Spiel.

Natürlich korrigiert er sich gleich. Nicht die dreifache Mutter, die am morgigen Freitag 52 Jahre alt wird, habe er gemeint, sondern das, was der Erfolg ihrer Kriminalromane nach sich gezogen habe. Menschen eben, die, durch Schenkels Erfolg angestachelt, plötzlich auch schreiben wollten. Mit mäßigem Erfolg. Bei Schenkel lief das anders….“

Der vollständige Artikel ist hier zu finden: http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Kultur/Kultur-vor-Ort/Andrea-Maria-Schenkel-im-Literarischen-Zentrum-Goettingen

Was ist schon Erfolg?

Wie definiert man heutzutage Erfolg? Diese Frage beschäftigte mich eine geraume Zeit, nachdem ich diesen Artikel im Göttinger Tageblatt gelesen hatte. Auch wenn sich der Moderator Tobias Gohlis ‚gleich korrigierte‘ wirkt es doch wie ein freudscher Versprecher, wenn er von schreibenden Hausfrauen mit mäßigem Erfolg spricht.
Nein, er meint nicht die dreifache Mutter Andrea Maria Schenkel! Ja, wen meint er denn dann?

Zuerst dachte ich: Lass es auf sich beruhen, der klopft blöde Sprüche. Aber die Gedanken – Was ist Erfolg? Wie definiert man das genau? Und vor allen Dingen – Wer darf beurteilen, ob jemand erfolgreich ist? Ließen mich nicht los.

Wenn Erfolg eine monetäre Grenze hat, oberhalb derer es erst zum Erfolg wird, ist das eine sehr einseitige Sichtweise.

Man kann zum Beispiel sehr erfolgreich Kinder erziehen. Den Erfolg sehe ich persönlich darin, wenn die Kinder gut aufs Leben vorbereitet wurden. Wenn sie moralische Werte verinnerlicht haben, auf deren Grundlage sie ihr Leben meistern können. Und nicht vordergründig darin, ob sie fünf Doktortitel haben und viel Geld verdienen.
Andere Eltern mögen ihre Erziehungserfolge an anderen Kriterien messen. Und natürlich verändern sich die Kriterien dann, wenn es irgendwelche Beeinträchtigungen gibt.

Man kann eine durchaus erfolgreiche Hausfrau sein, wenn man mit dem, was man tagtäglich tut, zufrieden ist und das kleine Familienunternehmen gut managt.
Auch als unterbezahlter Hilfsarbeiter kann man erfolgreich sein, solange man aus den gegebenen Umständen das Beste macht und Glück im Leben empfinden kann.

Da fällt mir unser Altmeister Goethe ein:

„Da wo du bist, wo du bleibst, wirke, was du kannst,
sei tätig und gefällig und lass dir die Gegenwart heiter sein.“
Johann Wolfgang von Goethe

Und dann kommt da ein Herr Gohlis und mutmaßt über schreibende Hausfrauen mit mäßigem Erfolg!

Ich kann an dieser Stelle nur für mich sprechen, weiß aber, dass es vielen meiner Kolleginnen und Kollegen ähnlich geht.

Ich hatte eine Geschichte im Kopf. Die wollte seit Jahren heraus. Aber mit Kinder, Haushalt und Minijob war das einfach nicht möglich. Dann kam der glückliche Umstand hinzu, dass ich den Minijob gekündigt habe. Aus der plötzlichen freien Zeit heraus drängte die alte Geschichte wieder, zu Papier gebracht zu werden und ich habe dem Druck nachgegeben und sie aufgeschrieben. Zuerst nur für mich! Dann habe ich es gewagt das Manuskript Menschen meines Vertrauens zu geben. Einhellige Meinung: Das sollten mehr Menschen lesen, das berührt.
Erst dann habe ich das ganze Manuskript auf Öffentlichkeitstauglichkeit hin überarbeitet. Einige Dinge in der Urfassung waren doch zu persönlich und mussten umgeschrieben werden.
Danach ging das Ganze an fremde Menschen zur Beurteilung und schließlich fand es Unterschlupf im Fabuloso Verlag.

Sehr geehrter Herr Gohlis! Der erste Erfolg war für mich, die Geschichte überhaupt zu Papier zu bringen. Der zweite Erfolg war, dass sie auch anderen Menschen gefiel. Und der dritte Erfolg war, dass sich das Buch deutlich besser verkaufte und noch heute verkauft, als ich es jemals gedacht hätte! Ich habe mehr Menschen damit berührt, als ich es in meinen kühnsten Träumen für möglich gehalten hätte!

Millionenauflage? Fehlanzeige! Finanzielle Unabhängigkeit durch die Schreiberei? Fehlanzeige! Zufriedene Leser? Ja, viele! Zufriedene Autorin? Ja, sehr!
Erfolg gehabt? Ganz klar: JA!

Finanziell erfolgreiche Autoren werden heutzutage oft von den Medien gemacht. Anders kann ich mir nicht erklären, warum so manches Werk auf einer Bestsellerliste landet. Es gibt Bücher auf diesen Listen, die hat scheinbar niemand gelesen. Und sollte es doch mal jemand gelesen haben, hat es oft nicht gefallen. Es gibt vermeintliche Bestsellerautoren die in unzähligen Talkshows sitzen und Fragwürdiges von sich geben. Es soll sogar schon vorgekommen sein, dass sie zu Moderatoren eben dieser Shows wurden… *Ironie wieder aus. Die Medien pushen das hoch und irgendjemand scheint es zu mögen. Wer auch immer!

Ein Buch, das ohne großen Medienrummel bekannt wird, die Menschen berührt und zum Nachdenken anregt. Das ist für mich ein erfolgreiches Buch!
Es gibt durchaus Tageszeitungen die regionalen Autoren eine Chance geben und einen Bericht über ein neuerschienenes Buch oder eine Lesung schreiben. Das GT gehört leider nicht dazu. Schade!

Die Definition von Erfolg ausschließlich am Finanziellen zu messen, entspricht leider in hohem Maße dem Zeitgeist. Insofern entspricht Herr Gohlis der aktuellen Denkweise. Qualifizierter Journalismus beansprucht für sich aber immer eine gewisse Unabhängigkeit – eine möglichst neutrale Berichterstattung. Davon ist diese Betrachtungsweise Meilen entfernt.

Letztendlich ist Erfolg, wenn man sein einmal gestecktes Ziel erreicht hat. Wenn man zufrieden ist mit dem, was man tut.
Wenn dazu noch ein finanzieller Erfolg kommt, ist das sicher sehr angenehm. Aber das ist auf keinen Fall der Maßstab aller Dinge!

Melanie Buhl