Als Trekkie der allerersten Stunde – ich bin sozusagen geboren, als auch Star Trek das Licht der Fernsehgeräte erblickte, musste ich dieses Buch unbedingt lesen.
Schon als Kind und Jugendliche hat mich die Serie dermaßen fasziniert, dass ich keine Folge verpasst habe. Für Mädchen eine damals durchaus ungewöhnliche Vorliebe, über die ich mit meinen Freundinnen nicht diskutieren konnte. Meine Eltern haben in den frühen Siebzigern, wahrscheinlich aus Mangel an Auswahl, jeden Sonntag eingeschaltet und ich saß dabei! Am Ende einer jeden Folge lehnte mein Vater sich zurück und kommentierte das Gesehene mit: PB – patentierter Blödsinn! Das habe ich nicht wirklich verstanden, aber Blödsinn war Star Trek für mich nie! Im Gegenteil, ich fand immer etwas zum Nachdenken, etwas Tiefgründiges, etwas dass mit meiner Welt und mit meinem Leben zu tun hatte. Und habe ich nach Jahren eine Folge erneut gesehen, sagte sie mir etwas anders, oder verstand ich sie anders. So bin ich von James T. Kirk und Jean-Luc Picard zu Benjamin Sisko und Kathryn Janeway und schließlich bis Jonathan Archer, sowie sämtlichen Kinofilmen „meinen Freunden“ treu geblieben.

Über vieles ließ mich Star Trek nachdenken, zum Beispiel: Was bedeutet Menschlichkeit? Wo liegen die Grenzen für moralische und ethische Werte? Wie weit darf man sich in fremde Kulturen einmischen ohne sie in ihrer eigenen Entwicklung zu beeinflussen? Übernehmen die Charaktere Verantwortung für sich und ihr Handeln, und wenn ja – wie und warum? Was hat das alles mit uns hier auf der Erde im 20. bzw. 21. Jahrhundert zu tun? Was können wir von Star Trek lernen?
Wie gehen die Ferengis mit Geld um – wo sind hier die Parallelen zum heutigen Kapitalismus und dem Verhalten der Banker? Was bedeutet den Klingonen ihre Ehre – und wo finden wir heute solch ein ehrenhaftes Verhalten? Wie leben die Bajoraner ihre Spiritualität? Was können wir daraus lernen?
Und vor allen Dingen, wo sind die Grenzen all dieser verschiedenen Verhaltensweisen?

In dem Buch „Die Philosophie bei Star Trek“ von Henrik Hansemann fand ich viele meiner Fragen wieder. Er hat sehr zielsicher die auch für mich wichtigsten Themen herausgearbeitet und gekonnt analysiert. Die meisten Dinge über die er schreibt, sehe ich ganz genauso und könnte stundenlang „mitphilosophieren“. Am meisten Freude bereiteten mir beim Lesen jedoch einige neue Denkanstöße, manche Feinheiten die ich so noch nicht betrachtete hatte. Es erwartet mich daher sicher noch das ein oder andere Vergnügen, wenn ich die entsprechen Serienfolgen das nächste Mal sehe.

Als großer Star Trek Kenner hat Herr Hansemann sehr schön die Verweise zu den betreffenden Folgen aufgelistet, sodass auch jemand der die Folgen nicht auswendig kennt, die entsprechenden Stellen wiederfinden kann.
Vermutlich wird das Buch überwiegend Leser ansprechen, die dem Star Trek Fieber ohnehin schon erlegen sind. Womöglich sind deshalb einige unter Trekkies gängige Abkürzungen wie TOS oder TNG nicht erklärt. Was in anderen Rezensionen zu Kritik führte, hat mich beim Lesen absolut nicht gestört!

Henrik Hansemann beleuchtet in Kapitel gegliedert die Fragen nach der Ethik, nach der Sprachenvielfalt, nach der Logik der Vulkanier, nach den technischen und moralischen Seiten des Beamens, nach der Menschlichkeit von Data und anderen Androiden, nach dem Holodeck und den daraus resultierenden moralischen Feinheiten, nach der Allmacht von Q, nach dem Sinn einer Verschmelzung von Mensch und Maschine wie bei den Borg, nach den Grauzonen des hippokratisches Eids heute und in der Star Trek Zukunft, nach Tod und Jenseits, nach anderen Realitäten und Spiegeluniversen, nach den allseits beliebten Zeitreisen und gönnt schließlich dem Leser einen kurzen Ausblick in die Zukunft von Star Trek.
Einige dieser Kapitel erklären, bevor sie die Philosophie des jeweiligen Themas behandeln, physikalische und astrophysikalische Phänomene. Dies ist zum Verständnis für den Physik-Laien sehr interessant und schmälert keinesfalls den philosophischen Anteil.

Was am Ende des Buches noch nicht so deutlich war (Erscheinungstermin 2013), kann man aber schon heute (2014) getrost sagen: das neue Star Trek schafft es eine neue Generation zu berühren und auch jenseits des heute deutlich höheren Anteils an Actionszenen noch Tiefgründiges zu transportieren.
So wird dann in absehbarer Zeit hoffentlich genügend Material vorhanden sein, um eine Fortsetzung dieses Buches zu schreiben – ich würde mich darüber sehr freuen!

Alles in allem fand ich es ein wunderbares und unterhaltsames Buch, abseits des alltäglichen Einerlei und langweiligen Mainstreams! Wenn auch gelegentlich der Inhalt etwas komplizierter war, sodass ich einige Absätze zweimal lesen musste, las es sich trotzdem sehr flüssig und ist durchaus verständlich – auch für den philosophischen Laien.

Melanie Buhl

„Die Philosophie bei Star Trek – Mit Kirk, Spock und Picard auf der Reise durch unendliche Weiten“ von Henrik Hansemann, erschienen 2013 im Wiley-VCH Verlag, 252 Seiten,
ISBN 978-3-527-50728-3, 14,95€